2015 - Opernatelier - Einblick 1

Einblick 1 - Die Idee

11. Mai 2015 – 21.00 Uhr, Kunsthaus Bregenz

Ein sechsjähriger Junge möchte am folgenden Tag mit dem Boot zum Leuchtturm fahren. „Bestimmt“, antwortet die Mutter, „wenn es morgen schön ist. Dann musst du aber schon ganz früh aus den Federn.“ „Bloß“, fährt der Vater dazwischen, „wird es nicht schön sein.“ Der Junge wünscht sich eine Axt oder irgendeine andere Waffe herbei, damit brächte er seinen Vater am liebsten um.

Diese aufeinander prallenden Gefühle eröffnen Virginia Woolfs Roman To the Lighthouse (Zum Leuchtturm), der mit wenigen Worten einen scheinbar unlösbaren Konflikt  exponiert: Mrs. Ramsay glaubt an die Kraft des Optimismus, der Phantasie, die auch Unmögliches zulassen kann, während ihr Mann – ein Philosoph – seinen Kinder und den Menschen in seiner Umgebung das Beharren auf Fakten beibringen möchte. Beim sechsjährigen James, eines von acht Kindern, hat dies einen regelrechten Hass auf seinen Vater erzeugt, der zumindest in seinen Gedanken Mordgelüste hervorruft. Gedanken, Unausgesprochenes, Gefühle – derartige innere Stimmen bilden den Mittelpunkt von Viriginia Woolfs Roman. Das Nicht-Sagbare eröffnet der Musik Räume, in denen es widerhallen kann.

Diese Möglichkeiten faszinieren den griechischen Komponisten Zesses Seglias an Virginia Woolfs Sprache. Gemeinsam mit dem Regisseur und Autor Ernst Marianne Binder arbeitet er an einer Oper nach To the Lighthouse, im Auftrag der Bregenzer Festspiele. Besonders an diesem Kompositionsauftrag ist der Prozess, in den das Publikum immer wieder Einblicke erhält. Welche Ideen treiben die Beteiligten um? Welchen Herausforderungen müssen sie sich stellen? Welchen Klang erzeugt Virginia Woolfs Text? Am 11. Mai 2015 war im Kunsthaus Bregenz der erste Einblick  zu erleben. Gemeinsam mit dem Kunsthaus wurde der bildende Künstler Heimo Zobernig als Bühnenbildner für die Oper gewonnen. Gerade hat er den österreichischen Pavillon auf der Biennale Venedig gestaltet, am 7. November wird seine Ausstellung im Kunsthaus Bregenz eröffnet.

Einblick 1 bot neben Fragen zur Ästhetik von Komponist sowie Librettist und Regisseur auch akustische Einblicke. Zesses Seglias komponierte eigens für diesen Abend ein kurzes Stück für Sopran, Bassklarinette und Schlagzeug. Fragmente eines Shakespeare-Sonetts, das sich wie mehrere andere Gedichte als zitierte Spuren durch den Roman zieht, bilden die Grundlage der Komposition. In diesem Werk war ebenso wie im bereits existierenden monophonie für Sopran, Bassflöte und Bariton-Saxophon von 2011 Seglias’ Versuch zu hören, die menschliche Stimme und die instrumentalen Klänge zu einer einzigen Stimme zu verbinden. Beide Kompositionen führen an die Grenzen zwischen Stille und Klang, zwischen geäußertem Laut, gesprochenem Wort und gesungenem Ton.