Filmwoche im Metro Kino

Die Passagierin

Termin: Mittwoch, 23. Juni 2010, 20.00 Uhr
Mit einer Einführung von David Pountney, Bregenzer Festspiele

Regie: Andrzej Munk/Witold Lesiewicz
Drehbuch: Andrzej Munk nach dem Buch von Zofia Posmysz
Darsteller: Aleksandra Slaska (Lisa), Anna Ciepielewska (Marta), Janusz Bylczynski (Kapo)
Polen 1963, s/w, 62 Minuten, deutsche Fassung

Ein deutsches Ehepaar fährt mit dem Schiff über den Atlantik. Eine Passagierin kommt Lisa bekannt vor, eine Erinnerung aus ihrer Vergangenheit. Als KZ-Aufseherin hat Lisa Häftlinge gequält, auch Marta, die Passagierin, die sie doch längst unter den Toten wähnte. In Rückblenden erzählt der Film von den Geschehnissen in Auschwitz. Und Lisa selbst konstruiert ihre eigene „Erinnerung“, ihre Gegengeschichte. Aleksandra Slaska kehrte damit zu ihrer Rolle als KZ-Aufseherin in Wanda Jakubowskas klassischem Auschwitz-Film Die letzte Etappe (1947) zurück. Andrzej Munk kam 1961, kurz nach den Dreharbeiten in Auschwitz, bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Sein Mitarbeiter Witold Lesiewicz beendete den Film 1963 als Fragment.

 

Das Ende unserer Welt

Termin: Donnerstag, 24. Juni 2010, 20.00 Uhr
Mit einer Einführung von Hanno Loewy, Jüdisches Museum Hohenems

Regie: Wanda Jakubowska
Drehbuch: Tadeusz Holuj
Darsteller: Lech Skolimowski (Henryk), Teresa Wicinska (Maryjka), Tadeusz Bogucki (Jan Smolik), Tadeusz Madeja (Bolek), Elzbieta Starostecka (Julia Stein), Tadeusz Holuj (Adam) 
Polen 1964, s/w, 138 Minuten, deutsche Fassung

Henryk, ein polnischer Auschwitz-Überlebender und Kommunist, wird von zwei amerikanischen Touristen gefragt, ob er sie zum Museum Auschwitz mitnehmen könnte. Widerstrebend zunächst, dann zunehmend von seinen Erinnerungen überwältigt, bietet er dem jungen Paar schließlich an, sie durch die Gedenkstätte zu führen. Die Frau ist selbst Jüdin, ihr Begleiter hingegen auf touristischer Trophäenjagd. In Rückblenden erfahren wir Henryks Geschichte. Anders als in ihrem ersten Auschwitzfilm von 1947, Die letzte Etappe, präsentiert Wanda Jakubowska in Das Ende unserer Welt keine holzschnittartigen Helden, die ungebrochen ihren Glauben auch in Auschwitz bis zum Sieg verteidigen. Ihr Film spielt in einer moralischen Grauzone, mitten im korrumpierenden Alltag der Vernichtung, dessen Darstellung Jakubowska realistischer geraten ist, als es ihrer eigenen kommunistischen Ideologie möglicherweise entsprochen hätte. 

 

Die Kraniche ziehen

Termin: Freitag, 25. Juni 2010, 22.00 Uhr
Mit einer Einführung von David Pountney, Bregenzer Festspiele

Regie: Mikheil Kalatozishvili
Drehbuch: Wiktor Rosow (nach seinem Drama Die ewig Lebenden). Musik: Mieczysław Weinberg
Darsteller: Tatjana Samoilowa (Weronika), Alexei Batalow (Boris Borosdin) 
Sowjetunion 1957, s/w, 95 Minuten, Deutsche Fassung

1941 in Moskau, kurz vor dem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion: Boris und Weronika, ein Liebespaar, beobachten den Zug der Kraniche über der Stadt. Nach dem Ausbruch des Krieges meldet sich Boris freiwillig zur Front. Der Krieg fordert seine Opfer, Weronikas Eltern kommen bei einem Bombenangriff ums Leben, Boris gilt als vermisst, und Weronika gibt schießlich dem Werben von Mark, Boris’ Bruder nach und heiratet ihn. Die Familie wird nach Sibirien evakuiert. An Weronika nagt die Frage, ob Boris noch lebt und sie versucht Selbstmord zu begehen. Doch stattdessen rettet sie einem Kind namens Boris das Leben. Erst auf der Siegesparade am Ende des Films erfährt Weronika das Schicksal ihres Geliebten. Der Film versucht, die Katastrophe des Krieges, im Bild des neuen Lebens zu überwinden. Die für Boris mitgebrachten Blumen verteilt Weronika an zurückgekehrte Soldaten. Der Film – mit der Musik von Mieczysław Weinberg und der expressiven Kameraführung durch Sergei Urussewski – gewann 1958 die Goldene Palme von Cannes und gilt als einer der bedeutendsten sowjetischen Filme nach 1945.

 

Vater

Termin: Samstag, 26. Juni 2010, 22.00 Uhr
Mit einer Einführung von Hanno Loewy, Jüdisches Museum Hohenems

Regie und Drehbuch: Istvan Szábo
Darsteller: András Bálint (Takó Bence), Miklós Gábor (sein Vater), Kati Sólyom (Anni) 
Ungarn 1966, s/w, 98 Minuten, ungarische Originalfassung mit deutschen Untertiteln

Der als Halbwaise aufgewachsene Takó hat nur wenige echte Erinnerungen an seinen bei Kriegsende gefallenen Vater. So dichtet er dem Vater eine herausragende Rolle als Partisan, bedeutender Arzt, als Judenretter, als großer Reisender und Kriegsheld an. Diese Phantasien begleiten den Jungen nicht nur in seinen Tagträumen, er wertet mit diesen Heldengeschichten auch bei jeder Gelegenheit das eigene Ich auf: in der Schule, später als junger Erwachsener bei Freundinnen und schließlich im Aufstand von 1956, wo der Student im Namen des Vaters unter Lebensgefahr eine Fahne herbeischafft, die niemand benötigt. Erst gegen Ende des Films beginnt Takó nach dem tatsächlichen Leben seines Vaters zu forschen, die Mythen hinter sich zu lassen. Als Statist bei den Dreharbeiten zu einem Holocaustfilm lernt er eine jüdische Mitstudentin kennen, deren Eltern in Auschwitz umkamen. István Szabós zweiter Spielfilm gehört zu den bedeutend- sten Filmen der osteuropäischen „nouvelle vague“ der sechziger Jahre.

 

Transport aus dem Paradies

Termin: Sonntag, 27. Juni 2010, 10.00 Uhr
Einführung und Gespräch mit Hanno Loewy – und ein kurzer Ausschnitt aus einem Interview von Claude Lanzmann mit dem Judenältesten Benjamin Murmelstein, das keinen Eingang in den Film Shoah gefunden hat.

Regie und Drehbuch: Zbenek Brynych (mit Arnošt Lustig nach dessen Erzählung Nacht und Hoffnung)
Darsteller: Cestmir Randa (Marmulstaub), Vlastimil Brodsky (Mukl), Juraj Herz (Mylord), Helga Cocková (Lisa), Ilja Prachar (SS-Obersturmführer Herz), Jindrich Narenta (SS-General Knecht), Zdenek Stepánek (David Loewenbach)
CSSR 1962, s/w, 93 Minuten, deutsch-tschechische Originalfassung mit englischen Untertiteln

Theresienstadt 1944. SS-General Knecht besucht das Ghetto, während die Dreharbeiten zu einem Propagandafilm auf Hochtouren laufen. Dutzende von Ghettoinsassen müssen Kurt Gerron in verschiedenen Sprachen in die Kamera sagen: "Mir geht es gut in Theresienstadt. Mir fehlt es an nichts." Knecht ist begeistert und lässt sich das ganze Ghetto zeigen und die Philosophie der "Selbstverwaltung" erklären: an allem, was im Ghetto geschieht, ist in den Augen der Bewohner der Judenrat schuld. Theresienstadt wird für eine Inspektion des Roten Kreuzes vorbereitet, ein Musikpavillon, eine Bank und Geschäfte mit üppigen Auslagen täuschen Normalität vor. Eine Widerstandsgruppe verbreitet Flugblätter mit Meldungen aus einem versteckten Radio. Hinter den Kulissen laufen die Vorbereitungen für die nächste Deportation nach Auschwitz und eine Zählung der Ghettoinsassen soll durchgeführt werden. Eine Gruppe Jugendlicher bereitet sich darauf vor, dass es diesmal wohl sie treffen wird. Und Marmulstaub, der neue Judenälteste, erfüllt eine Rolle.