Die Geheimnisse der Kabbala
Alvis Hermanis
ursprünglich: Affäre mit Geistern
von Alvis Hermanis, Ensemble und anderen
Gastspiel des Schauspiel Köln
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 20. August 2009 - 19.30 Uhr, Theater Kosmos
Weitere Aufführungen: 21. und 22. August 2009 - 19.30 Uhr
Wenn der "eine" etwas Schwieriges zu erledigen hatte, irgendein geheimes Werk zum Nutzen der Geschöpfe, so ging er an eine bestimmte Stelle im Wald, zündete ein Feuer an und sprach Gebete – und alles geschah, wie er es sich vorgenommen hatte. Wenn eine Generation später der "nächste" dasselbe zu tun hatte, ging er an jene Stelle im Wald und sagte: „Das Feuer können wir nicht mehr machen, aber die Gebete können wir sprechen“ – und alles ging nach seinem Willen. Wieder eine Generation später, sollte der "übernächste" jene Tat vollbringen. Auch er ging in den Wald und sagte: „Wir können kein Feuer mehr anzünden, und wir können auch die Gebete nicht mehr sprechen; aber wir kennen den Ort im Wald, wo all das hingehört, und das muss genügen.“ – und: Es genügte. Als aber wieder eine Generation später der "überübernächste" jene Tat zu vollbringen hatte, da setzte er sich in einen Stuhl und sagte: „Wir können kein Feuer machen, wir können keine Gebete sprechen, wir kennen auch den Ort nicht mehr, aber wir können die Geschichte davon erzählen.“ Und seine Erzählung allein hatte dieselbe Wirkung wie die Taten der drei anderen.
Alvis Hermanis montiert in seiner zweiten Arbeit in Köln vier Erzählungen des Nobelpreisträgers Isaac Bashevis Singer. Nach der Kölner Affäre setzt Hermanis mit den Geheimnissen der Kabbala seine Suche nach einem Theater fort, das sich mehr für das Leben als für sich selbst interessiert, das das Erzählen untersucht und genau zwischen Affekt und Emotion unterscheidet. Singers Protagonisten sind im Ostjudentum verwurzelt; ob ein kleines, jüdisches Dorf in Polen, ob Warschau oder New York. Sie sind meist so voll von Ereignissen, dass man diese leicht überliest: sie handeln nicht vom Handeln, sondern vom Hören und Erinnern. Singer wurde 1904 in Radzymin in Polen geboren und wuchs in Warschau auf. Er wurde traditionell jüdisch erzogen und besuchte das Rabbinerseminar. Mit 22 Jahren begann er für eine jiddische Zeitung zu schreiben, zunächst auf hebräisch, dann auf jiddisch. 1935 emigrierte er in die USA und erhielt 1978 den Nobelpreis für Literatur. Er starb 1991 in Miami.